Fachschaft evangelische Theologie
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24Das Durcheinanderbringen der Ordnung

von Christian Albrecht

 

 

Menschen, die schwach sind, sind nicht beliebt. Menschen, die aufgenommen werden müssen, die gespeist und getränkt werden wollen, gekleidet und gewärmt, sind lästig. Lazarusse, die vor der Tür liegen, stören. Muss das auch noch sein – als reichte es nicht aus, dass jeder Tag seine eigene Plage habe.
Menschen, die auf der Treppe liegen oder in der Krippe und Aufmerksamkeit brauchen, sind lästig und stören, weil sie die Ordnung durcheinander bringen. Das Große, Hohe, Starke zuerst – und das Kleine, Niedrige, Schwache am Schluss: so ist es nun mal.

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In der Nacht im Stall wird diese Regel durcheinandergeschüttelt. Die Ordnung der Welt wird nicht außer Kraft gesetzt. Aber sie wird relativiert. Es wird klar, wo sie gilt – und wo sie nicht gilt. Unverändert braucht man Kraft und Vitalität für die Bemeisterung des Lebens. Und man braucht Regeln, die unterschiedliche Kräfte und Vermögen ausgleichen. Manche brauchen mehr Rücksicht, manche weniger. Denn das Große, Hohe, Starke zuerst – und das Kleine, Niedrige, Schwache am Schluss: so ist es nun mal, und so wird es auch bleiben, solange diese Welt besteht.


Aber das gilt eben nicht für alles. Glück und Seligkeit des Menschen, sein Wert und seine Würde bemessen sich nicht mehr nach dieser Ordnung. Respekt und Achtung, Liebe und Hingabe kommen dem Menschen nicht zu, weil er groß, stark und mächtig wäre. Wertvoll ist der Mensch ganz unabhängig davon. Darum ist die Kraft Gottes auch keine, die man nur im Großen, Hohen, Starken suchen sollte. Zur Relativierung der alten Ordnung gehört, dass die Kraft Gottes im Unscheinbaren, im Unwesentlichen, im Unerheblichen zu finden ist. Eine der kürzesten Übersetzungen des Weihnachtsevangeliums lautet deshalb: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ (2 Kor 12.9)

Ein gesegnetes Weihnachtsfest!

Prof. Dr. Christian Albrecht leitet den Lehrstuhl für Praktische Theologie I und ist Dekan der Evang. Theol. Fakultät der LMU

Bildnachweis: Foto: Christian Albrecht