01. Dezember

Power Days im Advent

von Lukas Meyer

 

 

„Ich lebe in Heiterkeit, Freude und Leichtigkeit!“, wiederholt der Unternehmer Jürgen Höller mehrfach auf dem Balkon eines Schweizer Edelhotels vor einem opulenten Alpenpanorama. Mittels dieses Mantras soll das Unterbewusstsein auf Kurs gebracht werden, damit Höller „das Beste aus sich herausholt“ und er „maximal erfolgreich“ wird, wie er voller Enthusiasmus ausführt. Akademiker würden wohl etwas nüchterner von „performativen Sprechakten“ sprechen.

Die Szene stammt aus dem Dokumentarfilm „Der Motivationstrainer“, in dem gezeigt wird, wie der bestverdienende Seminarunternehmer Europas seine Kunden gewinnt, bindet und abhängig macht. Von 200 bis 2000 Euro werden die Seminare immer teurer – was er damit begründet, dass Lehrlinge dadurch die entscheidende Ressource für die bestmögliche Profitmaximierung erhalten: Motivation. Mittlerweile füllt Höller ganze Hallen mit seinen „Power Days“, am 1. und 2. Dezember 2018 auch in München. 

Ursprünglich spröde Menschen werden hierbei von motivierenden Postkartensprüchen zunehmend in Ekstase versetzt, beginnen zu tanzen und sprechen in Quasi-Glossolalie die Mantras ihres Meisters nach. Die Nähe zur evangelikalen Frömmigkeit ist dem Unterfranken anzumerken, zu seinen Vorbildern zählt er neben Steve Jobs, Arnold Schwarzenegger oder Muhammad Ali auch Nelson Mandela und Jesus Christus. Unklar ist aber, welches Vorbild ihn bei welcher Handlung treibt – etwa dann, wenn er einerseits vor seiner Mitarbeiterschaft die Jürgen-Höller-Academy als „Familie“ preist und andererseits seine Personalstrategie mit „viel Sog, wenig Druck“ umschreibt. Letzteres konkretisiert sich etwa darin, dass Höller Prämien zahlt, falls ein Mitarbeiter einen guten Body-Mass-Index vorweisen kann.                                                                                    
                                                                                                           "Warten und Schauen"

Konsumkritik ist der absolute Klassiker adventlicher Verlautbarungen. Ich möchte mich diesem Genre gerne anschließen, dabei aber die Begeisterung nicht verkennen, die Höllers Programm auslöst. Allerdings halte ich die von ihm beschworene Heiterkeit, Freude und Leichtigkeit für verführerisch – sie dient lediglich dem Menschen als Kunden und Unternehmer, ordnet alles dem Erfolg zu und ist gerade deswegen ebenso austauschbar wie gnadenlos. Die Power im Advent liegt nicht in aggressiver Selbstoptimierung, sondern im fröhlichen Warten und Schauen.

Link zur Doku: https://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/videos/der-motivationstrainer-video-102.html

Lukas Meyer ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Systematische Theologie von Prof. Reiner Anselm.

Bildnachweis: Foto: Lukas Meyer